Informationen für Ärzte & Einsender

Auftragshinweise


Hereditäres Mamma- und Ovarialkarzinom

OMIM-Nummer: 114480, 604370, 113705 (BRCA1), 600185 (BRCA2)

Wissenschaftlicher Hintergrund

Etwa 5-10 % aller Mamma- und Ovarialkarzinome sind erblich bedingt und folgen einem autosomal-dominanten Erbgang. Charakteristisch für die erbliche Form dieser Erkrankung sind ein frühes Erkrankungsalter (vor dem 50. Lebensjahr) und das familiär gehäufte Auftreten. Die Gene BRCA1 und BRCA2 machen einen nicht unerheblichen Teil der erblich bedingten Brust- und Eierstockkrebserkrankungen aus. Das Erkrankungsrisiko bei Frauen mit BRCA1- bzw. BRCA2-Mutationen liegt für Brustkrebs zwischen 50 und 70 % und für Eierstockkrebs zwischen 11 und 44 %. Männliche Anlageträger von BRCA1-/2-Mutationen haben ebenfalls ein erhöhtes Tumorrisiko, insbesondere für Brust-, Prostata-, Pankreas-, Magen- und kolorektale Karzinome. Inzwischen wurden weitere Gene identifiziert, in denen Mutationen und/oder Varianten ebenfalls mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko assoziiert sind.1

Mehr Informationen Hereditäres Mamma- und Ovarialkarzinom

Indikation für die Untersuchung

Für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms soll eine Beratung und genetische Testung angeboten werden, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist 2:

• mindestens 3 Frauen aus der gleichen Linie einer Familie erkrankten an Brustkrebs, unabhängig vom Alter

• mindestens 2 Frauen aus der gleichen Linie einer Familie erkrankten an Brustkrebs, davon 1 jünger als 51 Jahre

• mindestens eine Frau erkrankte an Brustkrebs und eine weitere Frau an Eierstockkrebs oder eine Frau erkrankte an Brust- und Eierstockkrebs

• mindestens eine Frau jünger als 36 Jahre erkrankte an Brustkrebs

• mindestens eine Frau jünger als 51 Jahre erkrankte an bilateralem Brustkrebs

• mindestens eine Frau erkrankte an triple-negativem Brustkrebs, jünger als 60 Jahre

• mindestens eine Frau erkrankte an Eierstockkrebs, jünger als 80 Jahre

• mindestens ein Mann erkrankte an Brustkrebs und eine Frau an Brust- und Eierstockkrebs

• mindestens eine Person der Familie mit einer bereits nachgewiesenen pathogenen Mutation in einem der Kerngene

ODER

Gentest BRCA1/BRCA2 bei geplanter PARP-Inhibitor-Therapie ohne Erfüllung o.g. Indikationskriterien

Patientin mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom oder platin-sensitivem, fortgeschrittenem oder rezidiviertem oder progressivem high-grad epithelialem Ovarialkarzinom, Eileiterkarzinom oder primärem Peritonealkarzinom vor der Verordnung eines Arzneimittels für die eine genetische Testung nach Fachinformation obligat ist (Lynparza/Olaparib, Abrechnung nach EBM-Ziffer 11601)

Material       1 ml EDTA-Blut

Methode     Mutationsanalyse der Gene BRCA1 und BRCA2 mittels Next-Generation Sequencing und Deletions- bzw. Duplikationsdiagnostik mittels MLPA

Für diese Analyse ist eine schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich!
Diese befindet sich auf Seite 2 des Anforderungsscheins Klinische Genetik.
Bei molekulargenetischen Voruntersuchungen bitte Befundkopie beilegen!

Hereditäres non-polypöses kolorektales Karzinom (HNPCC) / Lynch-Syndrom

OMIM-Nummer: 609310, 120436 (MLH1), 120435, 609309 (MSH2), 614350, 600678 (MSH6), 614337, 600259 (PMS2) 613244,185535 (EPCAM)

Wissenschaftlicher Hintergrund

Das kolorektale Karzinom (CRC) gehört zu den häufigsten Tumorerkrankungen in Mitteleuropa. Bei etwa 10 % der Fälle ist eine familiäre Häufung zu beobachten. Zu den zwei häufigsten Formen zählen das Hereditäre Nichtpolypöse Kolonkarzinom-Syndrom (HNPCC-/Lynch-Syndrom) und zum anderen die seltenen kolorektalen Polyposis-Syndrome wie zum Beispiel die Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP). Die Disposition für ein HNPCC-/Lynch-Syndrom und eine FAP wird autosomal-dominant vererbt.

Bei HNPCC-Patienten liegt das Erkrankungsalter meist vor dem 50. Lebensjahr (mittleres Erkrankungsalter 45 Jahre). Die Kolonkarzinome sind häufiger im rechten Hemikolon lokalisiert. Träger einer Mutation in einem der fünf krankheitsverursachenden Gene (MLH1, MSH2, MSH6, PMS2 und EPCAM) haben zusätzlich ein erhöhtes Lebenszeit-Risiko für weitere Tumoren, wie Karzinome des Endometriums, der Ovarien, des Magens, des Urothels, der Gallengänge und des Dünndarms3.

Die Diagnose HNPCC wird klinisch gestellt, wenn die sogenannten Amsterdam-Kriterien erfüllt sind (s. Indikation). Die Amsterdam-Kriterien werden jedoch häufig aufgrund der geringen Anzahl an Familienangehörigen bzw. aufgrund der unvollständigen Penetranz des HNPCC-Syndroms nicht erfüllt. Daher wurden die revidierten Bethesda-Kriterien formuliert, um weitere HNPCC-Patienten zu identifizieren (s. Indikation).

Mehr Informationen HNPCC / Lynch-Syndrom

Indikation für die Untersuchung

Die HNPCC-Diagnostik erfolgt stufenweise: Besteht der Verdacht auf HNPCC (nach den Amsterdam- bzw. revidierten Bethesda-Kriterien, siehe weiter unten) wird zunächst eine Mikrosatelliten-(MSI-) Analyse sowie eine immunhistochemische Analyse (IHC) aus Tumormaterial angestrebt. Zeigt sich immunhistochemisch ein Ausfall der Proteinexpression eines der MMR-Gene bzw. eine hohe Mikrosatelliteninstabilität sollte auf eine Keimbahnmutation der MMR-Gene aus einer Blutprobe des Patienten untersucht werden. Wird beim Indexpatienten eine krankheitsverursachende Keimbahnmutation gefunden, können weitere, bisher gesunde Familienmitglieder gezielt auf diese Mutation hin untersucht werden4.

Revidierte Bethesda-Kriterien:

Für die Analyse der Mikrosatelliteninstabilität am Tumor muss mindestens ein Kriterium erfüllt sein:

• Patienten mit kolorektalem Karzinom vor dem 50. Lebensjahr;
• Patienten mit synchronen oder metachronen kolorektalen Karzinomen oder anderen HNPCC-assoziierten Tumorerkrankungen (Kolorektum, Endometrium, Magen, Ovarien, Pankreas, Urothel, Gallengänge, Dünndarm, Gehirn; Talgdrüsenadenome, Keratokanthome (Muir-Torre-Syndrom), unabhängig vom Alter;
• Patienten unter 60 Jahren mit kolorektalem Karzinom mit MSI-H-Histologie (lymphozytäre Infiltration, muzinöse und/oder Siegelring-Differenzierung bzw. medulläres Wachstum);
• Patient mit kolorektalem Karzinom (unabhängig vom Alter) mit einem vor dem 50. Lebensjahr erkrankten erstgradig Verwandten mit kolorektalem Karzinom oder einem HNPCC-assoziierten Tumor;
• Patient mit kolorektalem Karzinom (unabhängig vom Alter) und mindestens zwei erst- oder zweitgradig Verwandten mit einem kolorektalen Karzinom oder einem HNPCC-assoziierten Tumor (unabhängig vom Alter).

Amsterdam II-Kriterien:

Für die direkte Analyse der HNPCC-Gene, ohne vorherige Untersuchung am Tumorgewebe, müssen alle 4 Kriterien erfüllt sein5:

• Vorangegangener Ausschluss einer Familiären Adenomatösen Polyposis (FAP);
• mindestens drei Familienangehörige mit histologisch gesichertem kolorektalen Karzinom oder einem Karzinom des Endometriums, Dünndarms, Ureters oder Nierenbeckens, einer davon mit den beiden anderen erstgradig verwandt;
• Erkrankungen in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Generationen;
• mindestens ein Patient mit Diagnosestellung vor dem 50. Lebensjahr

Material/Stufendiagnostik entsprechend der Indikationskriterien:

• Untersuchung auf Mikrosatelliteninstabilität und Immunhistochemie am Tumormaterial (auch Paraffinblöcke geeignet)
• Mutationsanalyse (1 ml EDTA-Blut) mittels Next-Generation Sequencing sowie Deletions- bzw. Duplikationsdiagnostik mittels MLPA der Gene MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2 abhängig vom immunhistochemischen Befund

Für diese Analyse ist eine schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG erforderlich!
Diese befindet sich auf Seite 2 des Anforderungsscheins Klinische Genetik.
Bei molekulargenetischen Voruntersuchungen bitte Befundkopie beilegen!

1 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1247/
2 S3-Leitlinie Mammakarzinom Version 4.4, 2021
3https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1211/
4 https://mgz-muenchen.de
5 S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom

Entwicklungsstörungen / Intelligenzminderung

Genetische Ursachen für Entwicklungsstörungen

Eine Entwicklungsstörung kommt bei etwa 1-3% der Kinder vor.1
Entwicklungsstörungen können viele Ursachen haben, darunter genetische Faktoren, die eine bedeutende Rolle spielen. Genetische Ursachen umfassen Veränderungen im gesamten Erbgut, die die Entwicklung beeinflussen können. Diese Veränderungen können sowohl von einem Elternteil vererbt sein als auch neu (de novo) entstehen.

Mehr Informationen Entwicklungsstörung/Intelligenzminderung

Häufige genetische Ursachen für eine Entwicklungsstörung:

1) Chromosomenstörungen:
• Numerische Anomalien: Zusätzliche oder fehlende Chromosomen, wie bei Trisomie 21 (Down-Syndrom), führen häufig zu einer Entwicklungsstörung.
• Strukturelle Anomalien: Fehlende oder zusätzliche Chromosomenabschnitte, wie bei Mikrodeletionssyndromen
(z. B. DiGeorge bzw. Monosomie 22q11.2), können die Entwicklung beeinträchtigen.
2) Mutationen in Genen, die ausschließlich die Entwicklung des Gehirns beeinflussen:
• Viele dieser Mutationen können sowohl geistige als auch körperliche Entwicklungsstörungen (z. B. verminderte Muskelspannung) hervorrufen. (Beispiel: SCN8A-assoziierte Entwicklungsstörung)
3) komplexe Krankheitsbilder bzw. syndromale Erkrankungen, die auf eine einzelne Genveränderung zurückzuführen sind
• mehrere Organsysteme sind betroffen, z. B. beim Noonan-Syndrom
4) Repeat-Erkrankungen: In bestimmten Genen wiederholt sich eine bestimmte Basenabfolge häufiger als bei gesunden Personen (Beispiel: Fragiles-X-Syndrom)
5) Imprinting-Störungen: Die Prägung (also Aktivierung bzw. Inaktivierung) bestimmter Genbereiche oder ganzer Chromosomen ist verändert (z. B. Angelman-Syndrom)

Diagnostische Möglichkeiten2

An erster Stelle der Diagnostik steht die Entwicklungsdiagnostik, z. B. in einem SPZ oder einer neuropädiatrischen Einrichtung. Die genetische Diagnostik spielt eine Schlüsselrolle bei der Identifikation der Ursachen für Entwicklungsstörungen.

Folgende Untersuchungen sind möglich:
Chromosomenanalyse: erkennt große, lichtmikroskopisch sichtbare chromosomale Veränderungen (z. B. Trisomie 21)
Molekulare Karyotypisierung (früher Array-CGH, heute mittels NGS): Erfasst kleine Deletionen oder Duplikationen (z. B. Monosomie 22q11.2)
Einzelgen-Sequenzierung: Identifiziert Mutationen in spezifischen Genen, z. B. wenn bereits eine Genveränderung bei Familienmitgliedern bekannt ist
Exom- oder Genomsequenzierung (mittels NGS: Next-Generation-Sequencing): Wird bei komplexen oder unklaren Fällen verwendet, um seltene genetische Sequenz- oder Kopienzahlveränderungen zu identifizieren
Fragmentlängenbestimmung: Untersuchung sogenannter Repeat-Erkrankungen, z. B. hinsichtlich eines Fragilen-X-Syndroms
Multilocus-Methylierungs-MLPA: Bei Verdacht auf sogenannte Imprinting-Störungen, also Syndromen mit einer abweichenden Prägung (Aktivierung bzw. Inaktivierung) der Gene (nur in speziellen Fragestellungen, wie z. B. Silver-Russel-Syndrom, Angelman-Syndrom)

Auswirkungen und Prognose
Die Auswirkungen genetischer Störungen sind individuell unterschiedlich und hängen von der Art und Schwere der genetischen Veränderung ab. Manche Kinder zeigen milde Verzögerungen, während andere tiefgreifendere Entwicklungsbeeinträchtigungen aufweisen. Frühzeitige Diagnosen ermöglichen eine gezielte Förderung sowie ggf. Vorsorgeuntersuchungen und Therapie, was die Entwicklungschancen erheblich verbessern kann. Des Weiteren lässt eine genetische Diagnose auch Aussage hinsichtlich der Prognose sowie eine präzisere Einschätzung der Wiederholungswahrscheinlichkeit bei weiteren Familienmitgliedern zu.

Therapeutische Ansätze
Es gibt in der Regel keine kausale Therapie für genetisch bedingte Entwicklungsstörungen, jedoch stehen unterstützende Maßnahmen wie Frühförderung, Physiotherapie, Ergotherapie und spezielle Lernprogramme zur Verfügung. In einigen Fällen werden Medikamente, eine bestimmte Diät oder andere medizinische Interventionen eingesetzt, um spezifische Symptome zu behandeln. In Zukunft werden spezifische therapeutische Ansätze eine immer größere Rolle spielen.

Bedeutung der genetischen Beratung
Eine genetische Beratung kann Familien helfen, die Ursache der Entwicklungsstörung bei ihrem Kind zu verstehen, die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung in zukünftigen Schwangerschaften abzuschätzen und sich auf die Bedürfnisse des Kindes einzustellen. Sie ist ein wichtiger Bestandteil des Umgangs mit genetisch bedingten Entwicklungsstörungen.

2 Savatt JM, Myers SM. Genetic Testing in Neurodevelopmental Disorders. Front Pediatr. 2021 Feb 19

1 Maulik PK, Mascarenhas MN, Mathers CD, Dua T, Saxena S. Prevalence of intellectual disability: a meta-analysis of population-based studies. Res Dev Disabil. 2011 Mar-Apr;32(2):419-36. doi: 10.1016/j.ridd.2010.12.018. Epub 2011 Jan 13. Erratum in: Res Dev Disabil. 2013 Feb;34(2):729. PMID: 21236634.



Hier finden Sie auf einen Blick wichtige Informationen und Formulare zum Download.